Einsamkeit im digitalen Zeitalter – Kann KI sie heilen oder ist sie Teil des Problems?

Maike Luhmann, eine führende Einsamkeitsforscherin an der Ruhr-Universität Bochum, definiert Einsamkeit als „eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen“. Wichtiger als die Quantität sei hierbei die Qualität sozialer Beziehungen. Ferner wird Einsamkeit als ein subjektives, von den Betroffenen als schmerzhaft empfundenes Gefühl verstanden. Damit unterstreicht Luhmann die negative Konnotation des Begriffs im wissenschaftlichen Kontext entgegen anderer möglicher Auffassungen etwa eines positiven Allein- und Für-sich-Seins.

Die Erscheinungsformen von Einsamkeit sind verschieden und vielschichtig: Von der „emotionalen Einsamkeit“, die mit der Qualität einer Bindung zusammenhängt, oder der „sozialen Einsamkeit“, bedingt durch die fehlende Einbindung in ein soziales Netzwerk, bis hin zu einer „kulturellen Einsamkeit“, die mit dem Gefühl, nicht Teil der umgebenen Gesellschaft zu sein, einhergeht.

Einsamkeit: Neue „Volkskrankheit“?
Zwar ist Einsamkeit nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) keine Krankheit, damit verbundene Aspekte wie soziale Ausgrenzung oder das Empty-Nest-Syndrom können aber als Krankheitsbild kodiert werden. Zum Problem wird Einsamkeit auch dann, wenn das Gefühl chronisch wird und einen dauerhaften Leidensdruck auslöst, da es neben psychologischen auch mit vielen körperlichen Erkrankungen verbunden ist. So wirkt sich Einsamkeit ähnlich negativ wie Bewegungsmangel, Rauchen oder Luftverschmutzung auf die Gesundheit aus. Die Errichtung von Ministerien für Einsamkeit wie in Großbritannien oder in Japan unterstreicht die Notwendigkeit einer effektiven Gegenstrategie.

Heilsversprechen: KI?
Ein Ansatz in der Bekämpfung von Einsamkeit liegt im Einsatz von KI. Vor allem Tech-Unternehmen versprechen sich bahnbrechende Innovationen sowie Lösungen – und wittern hierin ein profitables Geschäft. Gewiss, die Entwicklung der KI geht rasant voran, und die vielen Möglichkeiten sind bereits jetzt bemerkenswert: KI interagiert mit uns, spricht, lacht, hört zu, gibt Ratschläge und ist mit ihren Avataren bereits so echt, dass sie in der digitalen Kommunikation von echten Menschen nicht mehr zu unterscheiden ist.

Erste therapeutische und die negative Gefühlswelt erhellende Effekte können bereits verzeichnet werden, wie der Siegeszug des Lovot – ein Kofferwort aus „Love“ und „Robot“ –, einem knuffigen und kuscheligen Roboter, der positive Emotionen auslösen soll, in Japan zeigt. Auch in puncto religiöser Kompetenz finden sich Prototypen und Modelle vom KI-Pfarrer bis hin zu betenden Robotern (CelesTE).

Zeitgleich mehren sich die kritischen Stimmen: Tech-Unternehmen würden Lösungen für ein Problem verkaufen wollen, das sie selbst mitverursacht haben. Zwischen technologischem Pessimismus und einer Technik-Euphorie bleibt es spannend und wichtig, sich den Trends und neuen Lösungsversuchen zuzuwenden und sie kritisch auf ihre gesellschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen hin zu befragen. | Ra